Ein offener Brief an Reinhard Buetikofer als Reaktion auf seine wiederholten aussenpolitischen Angriffe gegen China

Lieber Reinhard Buetikofer,

heute schreibe ich Dir einen Brief, einen Brief für Dich und die Öffentlichkeit.

Warum ?

Dein Interview mit der Überschrift „Merkels China-Politik ist eigentümlich veraltet“ im China Table am 8.8.2021, in dem Du als MdEP unserer Partei und als „China-Experte“ gefragt wurdest, hat mich dazu veranlasst.

Wir kennen uns seit über 25 Jahren und sind beide noch länger Mitglied in unserer grünen Partei. Politisch gehörten wir der gleichen Strömung an. In Deiner Zeit als Bundesvorsitzender hast Du mich sogar in Shanghai besucht und ich habe Dich durch diese pulsierende Mega-City geführt.

Bewundert habe ich immer Dein Talent, klug klingende, analytisch überzeugende Beiträge zu fast jedem Thema zu formulieren.

Auch im Interview im China Table habe ich diese bemerkenswerte Fähigkeit wieder gefunden, unter anderem in dieser Aussage: „Xi hat seine Kampagne gegen Korruption genutzt, um alle Macht in einer Art Partei-Kaisertum zu konzentrieren“.

Das ist wirklich ein wunderbarer politischer Satz von Dir. Ganz sicher wirst Du viel Zustimmung bei Deinen Fans dafür ernten - voll auf der Linie amerikanischer Thinktanks. Zudem auch noch seltsam inhaltsleer, wie von einem echten Spitzenpolitiker gefordert.

Meine aufrichtige Gratulation zur neuen Wortschöpfung „Partei-Kaisertum“.

Lieber Reinhard,

Du hast als westlicher Politikvertreter offenbar sehr früh erkannt, dass man das von China entwickelte, sehr erfolgreiche Konzept der konsultativen Demokratie besser ignorieren anstatt dies erläutern sollte. So ein Kaiservergleich ist auch viel besser, Kaiser hatten wir ja auch. Wer in Deutschland glaubt denn schon, dass gesellschaftliche Veränderungen in China nicht nur von oben befohlen, sondern auch von unten in vielen Versuchen mit Beteiligung der Bevölkerung erst intensiv ausgetestet und dann implementiert werden? Mit Deiner China-Erfahrung weißt Du genau, was man den Menschen in Deutschland zumuten kann und was man besser nicht erwähnt, um sie nicht zu irritieren.

Da bin ich beim nächsten Glanzstück Deines Interviews. Jeder im Westen „weiß“ natürlich genauso wie Du, wozu die Antikorruptionsinitiative der jetzigen Staats- und Parteiführung in China dient.

Es gibt zwar immer wieder Berichte von überragenden Erfolgen, die China nachweislich, als Ergebnis auch dieser Bemühungen, in den vergangenen 30 Jahren erreicht hat, aber durch Deine Hilfe werden solche irritierenden Daten und Fakten schnell wieder kaiserlich eingeordnet.

Früher glaubte man, dass man am Ausbau der Infrastruktur eines Landes ersehen kann, wie Korruption Entwicklung bremst. China hat weltweit z.B. das effektivste Bahnnetz, schnell und pünktlich und spart so viele innerstaatliche Flüge zugunsten des Klimas ein. Heute lernen wir durch Deine politische Analyse, dass die komplette, positive Entwicklung Chinas nur dazu dient, politische Gegner aus dem Weg zu räumen.

Sicherlich würde Dir kaum jemand im Westen auch glauben, wenn Du als Experte berichten würdest, dass die CPC ihre ganze Kraft zum Wohl des chinesischen Volkes einsetzt. Es ist viel überzeugender, einfach mal raus zu hauen, die CPC will lediglich ihre Macht festigen.

Es klingt natürlich auch sehr überzeugend, wenn Du Chinas Aufstieg zur zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt als „Chinas Propaganda vom unaufhaltsamen Aufstieg“ beschreibst, auf den Frau Merkel scheinbar reinfällt. Auch das noch. So stellt man sich Opposition vor.

Es muss wirklich reine Propaganda sein, wenn die WTO veröffentlicht, dass Chinas durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen sich innerhalb von 40 Jahren von knapp 305 USD/a auf über 10.000 USD/a gesteigert hat und dass obwohl die Bevölkerung heute um knapp 40% auf 1,42 Mrd. Einwohner gewachsen ist.

2020 hatte China dann bei 1,4 Mrd. Einwohnern ein BSP von rund 14.700 Mrd. USD. Pro Kopf also im Jahr über 10.000 USD. Im April 2021 teilte China der Welt mit, dass die bittere Armut im ganzen Land beseitigt wurde!

Auch Dein genialer Vergleich Xinjiangs mit Nordkorea ist ein rhetorisches Meisterstück: „In Xinjiang herrscht heute der schlimmste Polizeistaat, allenfalls noch vergleichbar mit Nordkorea. Die Kommunistische Partei drängt sich wieder in jede Ritze im Alltag der Menschen und gängelt die Wirtschaft immer mehr.“

Durch Deinen Beitrag habe ich endlich erkannt, dass die chinesische Regierung während meines Xinjiang-Besuchs im Mai diesen Jahres mir offenbar potemkinsche Dörfer vorgeführt hat. Mehr Infos dazu hier: www.juergenk.de. Ich bin wirklich glücklich, in Deinem Interview erläutert bekommen zu haben, was ich mit meinen eigenen Augen hätte sehen müssen. Endlich.

Ganz ehrlich lieber Reinhard,

als grünes Gründungsmitglied macht es mir noch etwas Sorgen, dass China mittlerweile als der weltweit größte Emittent von Treibhausgasen gilt. Ich sehe zwar, dass China heute weltweit der größte Investor in erneuerbaren Energien ist, dass die AIIB entschieden hat, ab dem kommenden Jahr, also sofort, keine weiteren Kohlekraftwerksprojekte mehr zu fördern und dass China auch im Verkehrsbereich die Elektromobilität vorantreibt, aber ich bin mir sicher, Du kannst uns allen auch hier erklären mit welcher bösen Absicht die CPC hier versucht, das Land in eine klimaneutrale Richtung zu lenken. Wahrscheinlich nur, um durch bessere Luftwerte und blauen Himmel die Menschen in China über ihre „Ein-Parteien-Diktatur“ hinwegzutäuschen.

Du kannst mir bestimmt auch erklären, warum es falsch ist, wenn wir das CAI (Comprehensive Agreement of Investment) unterstützen und die Kooperation in der Umwelttechnik durch die deutsche Wirtschaft mit China vorantreiben würden. Die Geschäftsmöglichkeiten für Umwelttechnik im chinesischen Markt sind für die deutsche Wirtschaft bestimmt nicht bedeutend und im Kampf gegen die heraufziehende Klimakatastrophe sicher verzichtbar.

Du hast völlig Recht, wenn Du betonst, dass „wir keine Deals machen, bei denen wir etwa Klimaschutz gegen unser Engagement für Menschenrechte eintauschen.“ Genau darum geht es natürlich. Sollten wir tatsächlich bei dieser Bundestagswahl in die Regierung kommen, so werden wir bestimmt durch „Dialog und Härte“ der CPC zeigen, wie sie ihr Land zu regieren hat, z. B. wie in den vergangenen 20 Jahren in Afghanistan.

Lieber Reinhard,

Du hast in Deinem Interview noch zu vielen anderen Themen Stellung bezogen, auf die ich in diesem kurzen Brief nicht weiter eingehen möchte. Schließlich will ich nicht zu viel Deiner so kostbaren Zeit in Anspruch nehmen.

Ich hoffe, dass meine knappen Zeilen Dir zeigen, wie überzeugend, faktenbasiert und sachgerecht im Sinne grüner Außen- und Friedenspolitik, Deine Ausführungen aus meiner Sicht waren.

Zum Schluß möchte ich Dir nicht vorenthalten, dass ich mir vorhin den Youtube-Kanal von Martin Sonnenborn angeschaut habe, der Dir aus dem EP ja bekannt sein sollte.

In diesem Sinne, dein Parteifreund aus Shanghai

Jürgen Kurz










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