Xinjiang – eine Region im Spannungsfeld von Geschichte und Moderne
2023 reisten die deutschen Chinawissenschaftler Thomas Heberer, Helwig Schmidt-Glintzer, Georg Gesk, Monika Schaedler und Norman Paech nach Xinjiang um sich mit eigenen Augen ein genaueres Bild über die Situation in Xinjiang zu verschaffen, nachdem seit Mitte der 2010er Jahre in westlichen Medien, angetrieben von Studien und Veröffentlichungen, vor allen Dingen von dem in den USA ansässigen Evangelikalen Adrian Zenz und dem vom australischen Verteidigungsministerium finanzierten Australian Strategic Policy Institute (ASPI), China heftig auf internationaler Bühne wegen seinem angeblichen „Genozid“ an der uigurischen Minderheit attackiert wurde.
Die Reise dieser Gruppe erhielt sehr schnell bei uns mediale Aufmerksamkeit, nachdem sie kurz nach ihrer Rückkehr im November 2023 in der NZZ ihre ersten Eindrücke unter der Überschrift: „Xinjiang Pekings Kampf gegen Terrorismus und Separatismus“ der Öffentlichkeit darstellten und von wieder zurück kehrender Normalität sprachen.
Sofort reagierte der China Table, das selbsternannte „professionelle Briefing“ für China und
lies Prof. Björn Alpermann Raum, zu einem systematischen Verriss des Beitrages.
Alpermann, der sich schon oft als Interpret der geheimsten Gedanken Xi’s und der KPC zeigt, versteigt sich kurz nach erscheinen des NZZ
Artikels auf X zu der Aussage: „Keine der Aussagen, die hier zur Relativierung der Lage in Xinjiang angeführt werden, hätte einer Reise in
die Region bedurft. Abgesehen von dem Zugeständnis, dass es in der „Übergangsphase“ 2017-20 zu „staatlicher Willkür“ gekommen sei,
entsprechen sie frappierend genau der regierungsoffiziellen Darstellung. Für mich ist das ein Hinweis darauf, dass der Augenschein vor Ort
oft trügerisch sein kann. Interviews mit Geflüchteten zeigen ein ganz anderes Bild.“
Im November 2024 legte er nochmal in einem grossen Artikel in der SZ nach, nachdem
das neue Buch der Reisegruppe erschien
Franz Piwonka, ein aufmerksamer Leser dieser Kritik,hat sich damit auseinandergesetzt und einen Leserbrief an die SZ (hier dokumentiert) geschickt, nachdem er das Buch intensiv gelesen hat. Natürlich wurde diese dezidierte Replik auf BA nicht veröffentlicht. Offenbar passt sie nicht in die politische Position der SZ die sich seit vielen Jahren mit einem intensiven China Bashing profiliert.
Was macht die Beiträge von Björn Alpermann, dem stellvertretenden Leiter des von der EU geförderten Projektes „Remote Ethnography of the Xinjiang Uyghur Autonomous Region“ so unglaubwürdig und aus meiner Sicht fehlerhaft?
Das von der EU geförderte Projekt ist ein politisch ideologisch fest verankertes Konzept der Forschung, aus dem dauerhaft und öffentlichenkeitswirksam Kritik an China gespeist werden kann. Dabei ist das Konzept durchsichtig: Man spricht unter anderem aus großer Entfernung mit Menschen, die wegen irgendwelcher Delikte strafrechtlich in Xinjiang verfolgt wurden und Xinjiang dann verlassen haben, nimmt ihre von Betroffenheit eingefärbte individuelle Darstellung als Argumentation gegen chinesische Unterdrückung ("in China kann es ja keinen Rechtsstaat geben") und erhebt diese Darstellungen dann als wissenschaftlich erwiesene Fakten, da sie ja von Betroffenen erzählt wurden.
Die offenbar tief sitzende Abneigung gegen die KP-China macht dabei jede
noch so spekulative Interpretation der Vorgaenge in Xinjiang, widerspricht sie auch den realen Verhältnissen vor Ort,
sofort in westlichen Medien glaubhaft. Sobald jemand aus diesem westlichen Umfeld sich die Mühe macht, mit Menschen und
Verantwortlichen vor Ort zu sprechen und sich die Verhältnisse anzuschauen, wird reflexartig auf die angeblich
manipulative “regierungsoffizielle Darstellung” durch die KPChina verwiesen. Eigentlich ist es unerheblich was man in
Xinjiang seit Jahren erleben kann, es entspricht nicht dem gängigen westlich medialen Narrativ von der Unterdrückung der
Uiguren, somit muss es gefälscht sein!
Die einfältigen Besucher, eigentlich anerkannte China Wissenschaftler, haben sich täuschen lassen oder aber machen den
Job der KP China.
Einfach aber wirksam.
Da faellt mir dann nur Alexander Humboldt ein, der einst zutreffend formulierte: "Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung derer, welche sich die Welt nie angeschaut haben."
Diesem Ansatz setzt die Gruppe der Wissenschaftler ein spannendes und
aufschlussreiches umfassendes Werk entgegen.
Wer also verstehen will, was in den vergangenen Jahren seit 1949, dem Gründungsjahr der Volksrepublik in Xinjiang
passierte, welche Lernkurven und Fehler die chinesische Regierung durchlaufen hat und wie man es geschafft hat eine
Unruheprovinz in eine moderne, prosperierende Gesellschaft zu transformieren, wo Frauenrechte und Islam harmonisch
miteinander auskommen, findet in dem sehr empfehlenserten Buch Xinjiang – eine Region im Spannungsfeld von Geschichte
und Moderne viel Hintergrund und kluge Analysen und Erklärungen zu den folgenden Themen:
Hans van Ess | Geschichte Xinjiangs und der Uiguren vom 15. bis zum 19. Jahrhundert |
Thomas Heberer | Sicherheitsdilemma und Nationsbildung: Politischgesellschaftliche Hintergründe der Entwicklung in Xinjiang |
Norman Paech | Die Menschenrechte der Uiguren |
Georg Gesk | Das Ziel der Verwirklichung des Rechtsstaats – in Xinjiang |
Barry Sautman | Xinjiang: Bloodless Genocide or Blood Libel? |
Yitzhak Shichor | Elephant in the China Shop: the Uyghur Pyrrhic Victory |
Mechthild Leutner | Gelehrte und Chinawissenschaftler als „Chinesenfreunde“ und „Chinaversteher“: Ein tradiertes Mittel der Auf- und Abwertung vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart |
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