Warum ich R. Bütikofers laute Kritik am CAI nicht teile

Zur Zeit läuft bei Bündnis 90/DIE GRÜNEN eine heftige Debatte zu dem im letzten Monat abgeschlossenen Investitionsabkommen zwischen China und Europa. Ein wichtiger Schritt um Europa und China enger zusammen zu bringen. Reinhard Bütikofer, MdEP, stellt sich auf seiner Homepage gegen das Abkommen und kritisiert es stark. Ich setze mich mit seinen Argumenten auseinander und erläutere warum ich der Ansicht bin das Bündnis 90/DIE GRÜNEN sich hinter das Abkommen stellen sollten.

Ich bin GRÜNER der ersten Stunde, Geschäftsführer eines mittelständigen Unternehmens in China und seit fast 18 Jahren lebe und arbeite ich in China.

Eines vorab: Mir liegt viel an Menschenrechten, Völkerverständigung und am Klimaschutz. Ich will das Europa und China fair miteinander umgehen und gemeinsam die Probleme unseres Planeten lösen. Ich lehne es grundsätzlich ab, anderen Ländern Vorschriften machen zu wollen, in denen festgelegt wird, wie sie sich zu organisieren haben!

Ich denke es ist gut, daß die EU und China sich auf einen Rahmen geeinigt haben, wie der Marktzugang von Unternehmen aus beiden Regionen fair geregelt werden kann. Wer erwartet daß ein derartiges Abkommen alle Probleme im Vorfeld löst kann nur enttäuscht werden.

Reinhard Bütikofer, grüner MdEP und lautstarker Kritiker Chinas, hat sich auf seiner Homepage kritisch mit dem CAI auseinandergesetzt und spricht sich soweit ich es verstehe, gegen eine Ratifizierung aus. Sein gutes Recht, ich sehe es anders. Ich frage mich was will er mit seiner Ablehnung erreichen ? Ich glaube er erreicht lediglich das die Karawane ohne GRÜNEN Einfluß weiter zieht.

Worauf bezieht sich die Kritik?

„Recycelte“ Marktzugangsangebote

Ja, es stimmt, daß China ins Abkommen Zusagen aufgenommen hat, die Regeln umfassen die schon eine Weile in Kraft sind. Er bezeichnet das als „recycelte“ Marktzugangsangebote, da diese Zugänge in den vergangenen Jahren bereits geöffnet wurden. Was ist aus grüner Sicht daran falsch ? Wenn es diese Zugänge schon lange gab, worauf bezog sich dann die Kritik der vergangenen Jahre wegen angeblicher Marktabschottung durch China ? Welcher Zugang soll denn noch gewährleistet werden ? Ist China vielleicht doch offener als politisch immer behauptet wird ? Nach meiner Beobachtung: Ja!

Chinas Marktangebote sind teilweise eingeschränkt, an Bedingungen geknüpft oder werden anderweitig konterkariert

Wenn ich es richtig interpretiere dann sieht er z.B. in der Feststellung „Im Bereich Telekommunikation/ Cloud-Dienstleistungen gilt für EU-Investoren nach wie vor eine 50-Prozent-Beteiligungsobergrenze.“ ein Problem und will diese Grenze kippen. Das kann man ja kritisieren. Aber war es nicht die EU und da auch ganz besonders Bütikofer, die sich massiv gegen Huawei oder ZTE zur Wehr gesetzt haben und einen Ausschluß dieser Anbieter in Europa forderten, auch mit dem Hinweis daß europäische Unternehmen in China nicht zum Zuge kommen ? Wie paßt das nun zusammen ?

Auch die Angst davor, daß chinesische Firmen ihr Personal in Europa zu 100% mit chinesischen Fachkräften ausstatten und damit evtl. unterschwellig suggeriert, europäischen Arbeitnehmern Arbeitsplätze wegnehmen könnten, ist schlichtweg weltfremd und hat nichts mit wirtschaftlicher Realität zu tun ! So eine Diskussion, die komplett an der Realität vorbei geht, führt man nur dann wenn man grundsätzlich der Vereinbarung nicht zustimmen will. Warum das? Kein chinesischer Unternehmer wird in Deutschland nur auf Chinesen setzen. Chinesische Unternehmen haben jetzt schon, kulturell bedingt, große Probleme in Europa Fuss zu fassen. Sie brauchen Europaer um den Betrieb am laufen zu halten! Natürlich gibt es Unternehmer, die in und mit China gescheitert sind. Die sind auch bereit an einem Film mit zu drehen, wo genau das Arbeitnehmerthema problematisiert wird ! Für die meisten Unternehmen ist das aber kein Thema. Fakt ist, daß die meisten deutschen Unternehmen in China eine positive Zukunft mit ihrem China Engagement erwarten, wie es erst kürzlich wieder von der AHK ermittelt wurde. Es gibt keinen Grund für die GRÜNEN, dies in irgendeiner Form durch politische Manöver, zu erschweren

„Einige Marktzugangsangebote sind für Großinvestoren attraktiver als für KMU“

Diesen pauschalen Vorwurf verstehe ich nicht. Ein WFOE (Wholly Foreign Owned Enterprise) kann bereits heute jedes ausländische Unternehmen in China mit einem Eigenkapital von 200 Tsd. USD gründen. Abhängig vom Business Konzept können natürlich höhere Eigenkapitalquoten verlangt werden. Das unterscheidet sich aer nicht vom Gebaren einer deutschen Kommune, die einem Investor, der nicht nachweisen kann, daß er das notwendige Eigenkapital hat, auch keine wertvolles Grundstück in einem neuen Gewerbegebiet zuteilt. Ich denke nicht, daß der Marktzugang für KMU’s grundsätzlich erschwert ist. Im Gegenteil, es gibt in China viele Entwicklungszonen die sich mittlerweile darauf spezialisiert haben, deutsche KMU’s anzusiedeln. Taicang in der Jiangsu Provinz ist ein Top Beispiel aber auch Kommunen in Sichuan oder in Zhejiang betreiben ganz aktive Ansiedlungspolitik für KMU’s ! Ich bin mir sicher daß es davon noch viel mehr gibt, als mir persönlich bekannt.

„Wettbewerbsneutralität und Reziprozität werden nicht erreicht“

Ein beliebtes Argument im Umgang mit China ist das Thema Subventionen, das eigentlich immer von Hardcore Wirtschaftsliberalen auf den Tisch gelegt wird. Einige ausländische Unternehmen, die erst den Schritt in den riesigen Markt nach China unternahmen da sie sich dort satte Gewinne erwarteten, mußten dann feststellen, daß es bei weitem nicht ganz so einfach ist in China ans große Geld zu kommen. Eine beliebte Reaktion ist es dann bei der Bundesregierung über chinesische Subventionen zu jammern. Warum GRÜNE Politiker sich dieses Argument zu eigen machen ist mir nicht klar. Wir GRÜNE haben unter anderem und mit voller Überzeugung, im Interesse einer technologischen Beschleunigung, als Mittel der Industriepolitik die Solarförderung eingeführt. Das fällt klar unter das Kapitel Subventionen. Jede Volkswirtschaft der Welt die auf dem Weg von einem sogenannten Schwellen- zu einen Industrieland gegangen ist, hat im Rahmen seiner Industriepolitik seine heimische Wirtschaft subventioniert und gefördert (Singapur, Korea, Japan etc.). Warum daß bei China jetzt kritisiert wird ist mir unklar. Der Erfolg, daß man in den vergangenen 30 Jahren mehr als 700 Mio. Menschen aus der Armut geführt hat, sollte aus grüner Sicht genug Rechtfertigung dieser Politik sein. Die USA haben mittlerweile das Schwert Strafsteuer im Einsatz und die EU auch. Strafsteuern sind nichts anderes als Subventionen der heimischen Wirtschaft. Ich denke nicht, daß GRÜNE das Thema Subventionen als zentral zur Ablehnung des CAI heran ziehen sollten. China hat in den vergangenen 17 Jahren, nach Eintritt in die WTO, viele Subventionen bereits gestrichen. Auch weil sie erkannt haben daß ihre Unternehmen global konkurrenzfähig werden müssen.

Wir sollten auch nicht den gezwungenermaßen experimentellen Charakter chinesischer Wirtschaftspolitik übersehen. Die Provinzen und Kreise experimentieren im Interesse wirtschaftlicher Entwicklung immer wieder mit neuen Instrumenten, die bei uns teilweise und auch zurecht als Subventionen bezeichnet werden. Die Zentralregierung hat, im Gegensatz zu den internationalen Erwartungen und Annahmen, aber keinen Überblick über jede einzelne Maßnahme die in diesem großen Land ausprobiert wird. Den Überblick versucht sich sich mit Big Data zu beschaffen, aber auch hier steht sie unter Beschuß westlicher China Experten. China bemüht sich nachweislich die Marktbedingungen für alle Teilnehmer in China zu verbessern und unfaires Marktverhalten zu vermeiden. Dazu wurde mittlerweile das CSCS (Corporate Social Credit System) eingeführt, daß auch schon Wirkung zeigt und von dem auch ausländische Unternehmen profitieren. Trotzdem wird es bei allen Bemühungen immer wieder, wie überall, zu unfairem Marktverhalten kommen. Dies ist aber kein chinesisches Phänomen, auch internationale und deutsche Unternehmen und Kommunen beteiligen sich daran. Sonst wären z.B. Einrichtungen wie die europäische Kartellbehörde überflüssig.

„Technologietransfer durch illegale oder unrechtmäßige Mittel, die die große Mehrheit der Technologietransfers nach China ausmachen.“

Ein sehr interessanter Vorwurf der sich mir aber verschließt. Was ist mit illegalem Technologietransfer gemeint ? Industriespionage ? IP Diebstahl ? Wer ist davon betroffen? Bereits heute kann und wird auch in China IP-Diebstahl strafrechtlich verfolgt. Die dafür entsprechenden Gesetze wurden zusammen mit der Universität Göttingen entwickelt und sind nahezu identisch mit den deutschen Vorschriften. Zur Realität eines technologischen Weltmarktführers gehört es, daß er von Konkurrenten sowohl in Deutschland als auch im Ausland kopiert wird. Dagegen gibt es das Patentrecht, den Klageweg oder eine wirtschaftlich bessere Aufstellung. Was soll da in China anders sein ?

„Unklare Durchsetzung und Streitbeilegung“

Das ist eine sehr typisch deutsche Beschreibung und Wahrnehmung. Ich weiß noch nicht genau warum jede Eventualität im Vorfeld bei uns beschrieben und geregelt werden muß. In China und in vielen Teilen der Welt arbeitet man mit dem Konzept „Arbitration“. Sollten Meinungsverschiedenheiten auftreten, dann wird nicht sofort der Vertrag herangezogen, sondern es wird erst einmal gemeinsam zum Essen gegangen und dann wird versucht die Differenzen auszugleichen. Ggf. mit Hilfe eines Dritten. Man kann ja aus deutscher Sicht an seinem Blickwinkel festhalten, daß führt in der Mehrzahl aber nicht zum Erfolg.

„Das CAI bietet keine Antwort auf die Herausforderungen der Technologierivalität“

Das glaube ich, tut letztlich kein Wirtschaftsabkommen der Welt. Niemand wird sich seine technologischen Vorteile oder Lieblingskinder im Rahmen eines Abkommens ab-verhandeln lassen. Sind wir nun in einer Marktwirtschaft tätig oder in einer reinen Harmoniewirtschaft ohne Konkurrenz ?

Ja, der Konflikt USA-China um die Frage „wer ist der Größte“, aufgepumpt durch die USA um die Frage „wer hat den meisten globalen Einfluß?“ besteht. Aufgrund der aggressiven Technologie Vorherrschaftspolitik der USA ist China seit Jahren gezwungen, sein eigenes technologisches Ökosystem aufzubauen, wenn es nicht von den USA abhängig sein will. China ist also aus Sicht der USA „ungezogen“. Das kann man beklagen, man kann es aber auch lassen. Ändern wird man es nicht. Entweder Europa baut eine dritte technologische Variante auf, oder es arrangiert sich damit. Der asiatische Markt und die wirtschaftliche Bedeutung Asiens in Zukunft sind aber sowohl im Hinblick auf Wohlstand als auch auf Klima- und Artenschutz zu bedeutsam, als daß man sich davon abkoppeln kann. Das Anliegen der USA sich für eine Seite zu entscheiden, sollte von Europa und hier speziell von den GRÜNEN deutlich zurück gewiesen werden ! Trittin hat dazu mit seinen 10 Punkten die richtige Aussage formuliert. China stellt die Forderung sich für eine Seite definitiv nicht auf !

Es ist verständlich, daß europäische Unternehmen diese Auseinandersetzung fürchten und dabei weitere Herausforderungen sehen. Deshalb macht der europäische Ansatz auch Sinn. Mit rund 700 Mio. teilweise älteren und damit auch weniger flexiblen Einwohnern ist Europa aber auf dem Weg das globale Zentrum zu verlassen. Asien mit über 4 Mrd, und Afrika mit bald auch 2 Mrd. Ew. stehen dem industrialisierten Westen mit weniger als 2 Mrd. Ew. gegenüber und haben ihre eigenen Ideen. Die USA gehen scheinbar in einen aggressiven Technologie und Wirtschaftsfight um die globale Ordnung in ihrem Interesse zu erhalten. Hoffentlich ohne die militärische Karte zu ziehen. Europa sollte flexibler auf diese Herausforderung einsteigen und sich kooperativ mit seinem Know How das ernsthaft gefragt ist, einbringen. Mittel- und Langfristig wird das mehr Vorteile bringen. Kurzfristig bleibt der nicht immer freundliche Veränderungsdruck leider erhalten.

Die Bestimmungen zur Umwelt- und Klimapolitik sind EU-Standard

Das hört sich doch nach einem guten Ergebnis an und gerade wir GRÜNEN sollten uns hier mehr einbringen, mit unserem Know How und um unsere Ziele schneller zu erreichen. Die Verhandlungen sind offen, so lange wir China nicht dauernd verbal attackieren. Aus meiner Sicht ist die GRÜNE Fraktion im EP hier mit ihrem Sachverstand und ihrer politischen Ausrichtung gefordert. Es wäre ein Gewinn für die Menschheit wenn China sich mit den europäischen GRÜNEN in einen echten Dialog begeben würde. Ich bin mir sicher, China ist dafür offen. Da steckt allerdings auch viel Arbeit drin.

Die Bestimmungen zum Arbeitsschutz sind inakzeptabel schwach

Die Diskussion und der Vorwurf zu diesem Thema geht aus meiner Erfahrung komplett an der Realität in China vorbei. China hat seit 1995 ein landesweit gültiges Arbeitsrecht implementiert das in 2014 aktualisiert und seither systematisch im ganzen Land angewendet wird.

In modernen, größeren Städten ist das Rechtssystem mittlerweile gut entwickelt und die Durchsetzung der Arbeitsschutzbestimmungen funktioniert dort auch sehr gut. Zu beobachten sind auch die zunehmenden Erfolge in Zentral China wie Sichuan und z.B Hubei. In verschiedenen Regionen ist die Gerichtsbarkeit noch nicht auf internationalem Niveau und die kulturellen Eigenheiten sind noch schwierig zu überwinden. China arbeitet systematisch und nachvollziehbar auch erfolgreich daran. Genauso wie in Europa (z.B. Zypern, Albanien, Rumänien, Weissrussland etc.) sind aber immer noch regional deutliche Mängel in der Umsetzung zu verzeichnen. Niemand kann in China verbindlich zusagen, was wann erreicht wird. Das erklärt die chinesische Zurückhaltung. Eine ähnliche Situation hatten wir vor knapp 10 Jahren bei den Klimaschutzverhandlungen. Damals gab es heftige Kritik an China da sich das Land nicht auf Klimaschutzziele festnageln ließ. Diese mangelnde Bereitschaft zu Zusagen hatte seine Ursache hauptsächlich in einer schlechten Datenlage in China und die chinesische Regierung wollte keine falschen Zusagen machen.

Wer sich als Arbeitgeber in China mit arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen befassen mußte, kann Geschichten darüber erzählen wie sehr Arbeitnehmer in China rechtlich geschützt sind. Arbeitsrechtsverfahren in Deutschland sind aus Sicht des Arbeitgebers einfacher erfolgreich abzuschließen als in China

Davon zu sprechen, daß China Zwangsarbeit zur wirtschaftlichen Entwicklung nutzt ist sachlich nicht gerechtfertigt und ganz sicher kein Konzept, daß die chinesische Regierung vertritt. Diese Behauptung kann man getrost unter politische Kampfrhetorik einordnen.

Das China unabhängige Gewerkschaften nicht zulassen will, wird mit dem politischen Selbstverständnis des chinesischen Staates und seiner Organisationsform begründet. Das müssen wir nicht gut finden und dürfen dies auch hinterfragen, aber es sollte uns nicht daran hindern so wichtige Vereinbarungen wie das CAI zu unterstützen.










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Wer tiefer einsteigen will, kann sich das aktuelle chinesische Labor Law hier anschauen