Gegen den Vorwurf ich würde brutale Menschenrechtsverletzungen rechtfertigen

email verschickt am 11.07.2020

Hallo Ralf,

Du hast mich gestern leider auf Twitter blockiert da ich mehrmals eine komplett andere Position zu China vertreten habe als aus Deinen Tweets hervorgeht.

Ich denke es ist Dein gutes Recht zu entscheiden mit wem Du auf Twitter kommunizieren willst und mit wem nicht. Wie weit das mit dem liberalen Gedanken zusammen passt musst Du selbst bewerten.

Was mich allerdings an Deiner Maßnahme stört und auch verletzend und falsch ist, dass ist die diffamierende Begründung in der Du mir unterstellst ich würde "brutale Menschenrechtsverletzungen" rechtfertigen.

Ganz klar, das tue ich nicht und ich hoffe dass Du diese Aussage zurück nimmst weil sie schlichtweg falsch und auch schon beleidigend ist.

Ich wehre mich Dir gegenüber auf diesem Weg da ich eigentlich Deine Arbeit sehr schätze. Wir haben während der rotgruenen Jahre relativ oft zusammen gearbeitet, uns gemeinsam für die vom grünen Außenminister in Bosnien vertretene Intervention engagiert und ich sehe eigentlich keinen Punkt, außer China, wo wir offenbar signifikant unterschiedliche Meinungen vertreten.

Meine Meinung speist sich aus mittlerweile 17 Jahren konkreter Lebenserfahrung in China. Im Unterschied zu Dir bin ich regelmäßig in Xinjiang also genau da wo die angeblichen Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren stattfinden. Ich behaupte ganz dreist dass es bei den GRÜNEN kein zweites Mitglied gibt das China so von innen kennt wie ich.

Deinen Vorwurf müsste ich dann akzeptieren wenn die chinesische Zentralregierung tatsächlich eine ethnisch ausgerichtete Verfolgungspolitik in dieser Region betreiben würde. Genau das tut sie aus meiner Beobachtung und Erfahrung aber nicht, auch wenn dies 100 mal von Leuten wie dem angeblichen Wissenschaftler Adrian Zenz behauptet wird !

Die Verwaltung in Xinjiang macht eine teilweise ausgeprägte Sicherheitspolitik, die aus meiner Sicht manchmal merkwürdig und unsinnig ist. Verstehen kann man diese Herangehensweise von außerhalb nur schwer. Wenn dann ein fundamentalistischer christlicher Wissenschaftler, der sich zur Aufgabe gemacht hat die Weltrevolution zu bekämpfen, ankommt, obwohl er nach eigener Aussage mindestens 10 Jahre lang nicht in der Region war, und dann versucht das zu verstehen, dann kann dabei nur eine merkwürdige und falsche Interpretation entstehen. Das Han Chinesen eine für uns, kulturell bedingte merkwürdige Herangehensweise an das Thema und ein schon paranoides Sicherheitsbedürfnis haben, kannst Du aus dem bei AI veröffentlichten Beitrag eines reflektierten Han Chinesen ersehen:

Witness-to-discrimination-confessions-of-a-han-chinese-from-xinjiang

Dieser Beitrag zeigt sehr deutlich das die Thematik wesentlich komplizierter ist, als die simplen schwarz/weiss Argumente im Westen es beschreiben.

Han Chinesen leben schon immer friedlich mit Uiguren, entlang der Seidenstrasse, nebeneinander. Meine Frau stammt aus einem Dorf dort und kennt die Verhältnisse selbstverständlich sehr gut. Das ist auch der Grund warum ich persönlich sehr oft in dieser Gegend bin und die Verhältnisse wahrscheinlich besser als alle Kommentatoren in Deutschland, oder aber Journalisten die in Beijing ansässig sind, kenne.

Die Zentralregierung unternimmt im eigenen Interesse alles, um das Zusammenleben positiv und friedlich zu gestalten. Das gelingt mit den eingeführten Maßnahmen (ich rede nicht von dem Schwachsinn den Adrian Zenz dort rein interpretiert!) in den vergangenen Jahren eigentlich recht gut und wird von allen muslimischen Nationen auch gelobt! Nur westliche Nationen machen dagegen Stimmung!

Fakt ist aber, dass es in Xinjiang weiterhin oppositionelle Uigurengruppen gibt und auch islamistische Bestrebungen. Das letzte relativ große Ereignis gab es 2008, anlässlich der damals bevorstehenden olympischen Spiele, als in Urumuqi rund 200 Leute auf der Straße abgeschlachtet wurden. Unter den Opfern waren Uiguren, Soldaten, Han Chinesen und andere Ethnien! Damals wurde im Westen die Berichterstattung der Zentralregierung gelobt und auch das besonnene Eingreifen der chinesischen Truppen.

Danach gab es immer wieder vereinzelte Angriffe auf Polizeistationen in Xinjiang und einen großen islamistischen Angriff auf den Bahnhof in Kunming bei dem 31 Personen zu Tode kamen. Ereignisse die in unseren Medien kaum eine Rolle spielten. China selbst hat die Berichterstattung nie hoch gezogen um keine Unruhe unter der sicherheitsfanatischen Bevölkerung aufkommen zu lassen. Man kann darüber streiten was der richtige Weg ist, aber ich denke China hat alles Recht der Welt damit ohne unsere Einmischung umgehen zu können. Wir hängen uns auch nicht dauernd in Afghanistan oder anderen Ländern rein !

Schau Dir bitte auf der Landkarte an wo die Provinz, von der wir sprechen, sich befindet. In unmittelbarer Nachbarschaft zu Afghanistan und damit einer Region die schon immer im Brennpunkt lokaler Auseinandersetzungen liegt und wo vor allen in den vergangenen 40 Jahren, globale Politik sich mit Gewalt niedergeschlagen hat. Der Westen hat versucht die Probleme dort mit der Finanzierung verschiedener Gruppen oder dem Einsatz von Drohnen zu lösen. Das Ergebnis ist absolut elend und niemand kann sich darauf was einbilden!

China versucht über Bildungskampagnen die aggressive Stimmung einzudämmen. Man ist dort noch nie mit Drohnen vorgegangen. China betreibt dort auch definitiv keine ethnische Säuberung oder wie sogar von einigen Auguren behauptet, eine gezielte ethnische Ausrottung der Uiguren. Der Anteil der Uiguren in dieser Provinz nimmt seit Jahren wieder kontinuierlich zu! Die Lebensverhältnisse der Menschen in Xinjiang haben sich in den letzten 40 Jahren extrem verbessert und wenn Du nach Xinjiang kommst, dann wirst Du überrascht sein von der Lebensfreude der Menschen an allen Orten.

Ja, in Xinjiang gibt es auch eine starke Militaerpräsenz und es gibt viele Polizeikontrollen. Wenn Du zum Beispiel in eine Stadt fahren willst, dann werden am Ortseingang alle Fahrzeuge und Ausweise überprüft. Du hast das Gefühl in einem Risikogebiet zu reisen. Kein Wunder, es ist leider immer noch ein Risikogebiet!

Es ist das Gebiet wo in den vergangenen 30 Jahren eine Vielzahl islamistischer Kämpfer herkamen. Soweit ich mich erinnere waren Kämpfer aus diesem Gebiet teilweise auch in Russland an Anschlägen beteiligt. In China kenne ich noch eine Region in der die Sicherheitslage ähnlich kritisch gesehen wird wie in Xinjiang. Wenn Du an die Grenze von Vietnam und Laos in Yunnan kommst, dann begegnest Du auch intensiven ständigen Polizeikontrollen. Da geht es um den kriminellen Rauschgifthandel der in dieser Region ausgeprägt war.

Es ist aber völliger Unfug zu behaupten die Menschen würden ohne jegliche rechtliche Grundlage in Xinjiang eingesammelt und in Lager geschickt. Ich habe Verständnis dafür wenn dieses Narrativ von islamistisch orientierten Gruppen verbreitet wird. Es gehört zu ihrer Agenda. Ich habe kein Verständnis dafür wenn solche Erzählungen unreflektiert in Europa aufgegriffen werden.

Ich kenne konkret den Fall, dass in einem uigurischen Nachbardorf von meiner Familie tatsächlich eine recht große Gruppe Uiguren in Haft kamen und auch zu einer Umerziehung mussten, nachdem im Dorf Waffen gefunden wurden, die in China absolut illegal sind. Alle Betroffenen werden dem Richter vorgeführt und dann entsprechend chinesischer Gesetze auch behandelt. Ich kann und will nicht ausschließen das dies nicht immer professionell erfolgt. Ausschließen kann ich aber das systematisch die Rechte der einzelnen Uiguren wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit missachtet werden. Auch in einem Volk mit 1,4 Mrd. Menschen gibt es schlechte Polizisten und  andere Missstände. (BLM ist nicht die einzige Bewegung die weltweit existiert...)

Daraus aber ein System zu kreieren ist genau das was ich geschrieben habe: westliche Überheblichkeit und Arroganz. Man weiß ja ganz genau wie die Chinesen sich verhalten...

Wenn Du also denkst mit mir über meine China Erfahrungen zu sprechen ist unsinnig und mich in Twitter deshalb blockst, dann ist das ok, Deine Entscheidung.

Mir aber vorzuwerfen ich würde Menschenrechts-verletzungen verteidigen ist entweder ignorant, bösartig oder aber ein Irrtum gewesen und das akzeptiere ich so nicht !

Ich hatte Dir schon mehrmals angeboten dass wir unsere Einschätzungen mal austauschen können. Bisher habe ich Deine Arbeit auch immer geschätzt. Das ist auch der einzige Grund warum ich mir die Mühe mache Dir zu schreiben. Ich würde mich freuen wenn ich was von Dir hören würde da ich die Hoffnung auf eine offene, faire Diskussion nie aufgebe.

Mit diesem Gedanken verbleibe ich optimistisch,

Viele Grüße

Juergen Kurz









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